impulse 

In unserem realweltlichen und virtuellen Alltag begegnen wir zahlreichen Menschen, die einen wesentlichen Einfluss auf unsere Entscheidungen nehmen. Auch die Entwicklung einer künstlerischen Identität ist maßgeblich bestimmt durch unerwartete Begegnungen und Erkenntnisse. Selten fragt man sich und andere, wer und was welchen Einfluss nahm, und wie sich das eigene Denken und Handeln formte.
Mit „I SEE YOU ... Identitäten in den Räumen der Kunst” begann auf Grundlage gemeinsam entwickelter Interviews und der Begegnung an authentischen Orten ein Dialog, den wir mit ausgewählten Künstler*innen, Gestalter*innen und Vermittler*innen-Persönlichkeiten in Weimar, in Berlin und in Ulm / Stuttgart führten. Aus diesen Begegnungen gingen Impulse bzw. Links hervor, die einen Ausgangspunkt für die Reflexion des eigenen professionellen Selbstverständnisses sowie für intensive künstlerische Experimente und Produktionen im Projekt bildeten. 

- Links
- Interviews

Was sind Links?

Unser Ziel war es den Dialog mit den Künstler*innen, Gestalter*innen und Vermittler*innen nicht nur auf sprachlicher, sondern auch auf nichtverbaler Ebene zu führen, um unseren künstlerischen Horizont in der Auseinandersetzung mit unbekannten Inhalten auszuweiten. 
Darum baten wir unsere Interviewpartner*innen uns im Anschluss an das Interview auch nichtsprachliche Links zu geben, welche in ihrer Form vollkommen frei gewählt werden konnten.
Im Rahmen des Projektes nahmen wir die Links zum Anlass künstlerisch zu arbeiten. 

Warum eigentlich Interviews?

Unser Ziel war es in diesem Projekt durch die Begegnungen mit anderen Künstler*innen, Gestalter*innen und Vermittler*innen den Horizont unserer eigenen Erfahrungswelt und Ich-Blasen auszuweiten. Dafür entwickelten wir im Seminarkontext auf Basis unserer persönlichen Interessen und der Fragestellungen des Projektes einen Leitfaden für ein moderiertes Interview. 
Mit diesen Fragen wandten wir uns an Persönlichkeiten in Ulm, Stuttgart, Berlin und Weimar, die in unterschiedlicher Art und Weise einen Beruf mit Bezug zur Kunst bzw. Gestaltung gewählt haben und insofern eine besonders ausgeprägte künstlerische Identität besitzen.
Die Interviews und deren Analyse bildeten den Ausgangspunkt für eine Befragung unseres eigenen professionellen Selbstverständnisses.

PROF. DR. ANDREA DREYER 

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In unserem Leben begegnen wir zahlreichen Menschen, die einen wesentlichen Einfluss auf unserer Persönlichkeit und unsere Entscheidungen nehmen. Auch die Entwicklung einer künstlerischen Identität ist maßgeblich bestimmt durch individuelle Förderung, unerwartete Begegnungen, anregende aber auch kritische Impulse, das Aufsuchen unbekannter Ort, den Dialog und die Kontroverse aber auch durch die eigene Fähigkeit zur kritischen Wahrnehmung wie theoriegeleiteter Reflexion. Das forschende Fragen und Suchen zum Gegenstand der inhaltlichen Auseinandersetzung zu machen, war Ziel der im Seminar entwickelten und auf den Exkursionen durchgeführten wie später gemeinsam analysierten Interviews. Die Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelten der Interviewpartner*innen, vor allem aber die kritische Durchdringung der Interviewaussagen durch sowohl objektiv-hermeneutische als auch strukturanalytische Zugänge bot Reflexionsfolien für das individuelle künstlerische wie gestalterische Tun aber auch die Befragung der eigenen Rolle als Vermittler*in im Kontext der Kunst. Die Begegnung mit Künstler*innen, Gestalter*innen und Vermittler*innen, die sich neben ihrer alltäglichen Aufgabe der Übersetzung eigener Gedanken, Probleme und Fragen in eine künstlerische oder gestalterische Form zugleich der Frage nach der Versprachlichung ihrer Methoden und Strategien in der Lehre stellen, führte zu einer intensiven selbstreflexiven Befragung des eigenen professionellen Selbstverständnisses. 
Die Interviews und deren Analyse waren Erkenntnisweg und Erkenntnisertrag zugleich. Sie stellten die Basis für die Befragung der eigenen Positionierung im Balance und Spannungsfeld von künstlerischer Identität und pädagogischem Habitus und bereiteten neben den zahlreichen künstlerischen Zugängen eine theoriegeleitete Basis für den je individuellen Entwicklungsprozess. 


JULIA RENTSCH 

"Künstlerische Obsession vs. Kunstpädagogischer Eros. Zur Vereinbarkeit zweier innerlich zerrissener Seelen.“ 


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Durch die im Projekt geführten Interviews zeigte sich ein Dilemma bei den befragten Kunstpädagogen*innen bzgl. der Vereinbarkeit der Lehrtätigkeit mit dem eigenen künstlerischen Schaffen. Es wurde bei den Interviewpartner*innen ein Gefühl der inneren Zerrissenheit zweier gleichwertiger Optionen deutlich, welches im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit erforscht wurde. Allen voran wurde dabei versucht die Frage zu beantworten, ob eine Balance bzw. Harmonie zwischen Künstler*in sein und kunstpädagogischer Professionalität erreicht werden kann oder ob es sich bei der Vereinbarkeit des Berufsethos von Künstlern*innen und Kunstpädagogen*innen um eine untragbare Doppelbelastung handelt. 


Die grundlegende Schwierigkeit zwischen künstlerischer Obsession und kunstpädagogischen Habitus besteht in dem ‚Triebschicksal‘ der Kunst. „Der Künstler ist dem Geschehen der Kunst ohne wenn und aber und voller Angst ausgeliefert; damit befindet er sich symptomatisch vor der Kunst [...]“ (Rech 2007, S. 13), welche nahezu gesetz- und grenzenlos erscheint. Kunst in ihrer „strukturimmanenten Nichtermittelbarkeit“ (Dreyer 2005, S.17) muss und will teilweise auch unverstanden bleiben und wirkt oftmals auf emotionale, beziehungsweise ganzheitliche Weise. 

Nach einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit fundierter fachwissenschaftlicher Literatur und der Analyse empirischer Daten ist festzustellen, dass eine absolute Synthese beider Bereiche, Künstler*in und Pädagoge*in gleichermaßen zu sein, nicht erreicht werden kann. Ein Grund hierfür liegt hier in den unterschiedlichen Aufgaben und Eigenschaften der Berufsgruppen: Ist die Künstlerpersönlichkeit eher ein auf sich Selbst und dessen Entfaltung gerichtetes Wesen, so drängt die Identifikation mit der Rolle als Pädagoge*in eher nach einer grundsätzlichen Offenheit, Vermittlungs- und Erziehungsbereitschaft. (vgl. Dreyer 2005, S.263) Die anfänglich betrachteten zwei Seelen in der Brust des Kunstpädagogen können demnach nicht vereint werden. 


Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich der Synthese beider Berufsfelder anzunähern und eine produktive Balance in der Arbeit als Künstler*in und Kunstpädagoge*in zu erzielen. Es kann beispielsweise das unterrichtende Stundenvolumen reduziert oder bzw. und Räume der Schule für die ästhetisch-künstlerischen Prozesse zur Verfügung gestellt und genutzt werden. Dabei ist es für die betreffende Person jedoch ebenso wichtig das berufsbiographisch abhängige wechselnde Gleichgewicht beider Berufsfelder anzuerkennen und stets zu reflektieren. 


Im Rahmen der künstlerischen wie theoriegeleitet reflexiven Auseinandersetzung mit dem Disput zwischen Kunst und Pädagogik konnte auch ich mir meiner künstlerischen und pädagogischen Identität bewusst werden. Mir ist es gelungen, in diesem Kontext meinen Standort in beiden Berufsrollen zu erkennen und meine vergangenen Sichtweisen und Handlungen selbstkritisch zu hinterfragen.